Belarus kommt immer wieder in die Schlagzeilen – die letzte Diktatur Europas steht im Abseits. Kaum jemand fährt in dieses Land zwischen Polen und Russland, um sich selbst ein Bild von Land und Leuten zu machen. EOWA-Mitglieder trafen Diplomaten, Journalisten, Vertreter von NGOs und Kulturschaffende.

Partner vor Ort war das ausgezeichnet vernetzte Internationale Bildungs- und Begegnungswerk (IBB), das ein ausgewogenes Programm zusammenstellte und so in kurzer Zeit einen möglichst tiefen Einblick in die gesellschaftlichen Zustände, Diskussionen und Entwicklungen erlaubte. Die Situation der politischen und wirtschaftlichen deutsch-belarussischen Zusammenarbeit erläuterten uns ein Vertreter der Deutschen Botschaft in Minsk und der Leiter des Deutsch-Belarussischen Wirtschaftsclubs Dr. Klaus Baier. Auch Einblicke in die schwierige Arbeit des unabhängigen Journalistenverbandes und der Umweltorganisation „Ökodom“, die sich u.a. um Tschernobyl-Opfer kümmert, wurde uns gewährt.

Über die grausamen Ereignisse im Minsker Ghetto, einem der größten in Osteuropa, in dem zwischen 1941 und 1943 ca. 60.000 Juden auf 2 Quadratkilometern zusammengepfercht wurden, die fast alle ums Leben kamen,  klärte uns der Historiker und Direktor der Geschichtswerkstatt Dr. Kuzma Kosak auf. Nicht nur in Deutschland ist dieses Ghetto kaum bekannt, auch in der Sowjetunion wurde diese Seite der Geschichte weitgehend verdrängt, eine Aufarbeitung begann in Belarus erst in den Neunzigerjahren. Wichtiges Aufklärungs­mittel der Geschichtswerkstatt sind Zeitzeugengespräche. So lernten wir Maria Lewina-Krapina kennen, die als kleines Mädchen im Ghetto gelebt und durch ein Wunder überlebt hatte, dann in ein Waisenhaus kam und schließlich schaffte, sich eine Existenz als Akrobatin aufzubauen, zu heiraten und bis ins hohe Alter gesellschaftlich aktiv zu bleiben. 2008 erschienen ihre Erinnerungen.

Die Stadt erkundeten wir geführt vom Schriftsteller Artur Klinau, der mit „Minsk – Sonnenstadt der Träume“ ein Stadt-Porträt ganz eigener Art geschrieben hat: Er betrachtet sie unter dem einst von der Sowjetregierung erträumten Aspekt einer „idealen Stadt der großen Utopie“, in der alle Menschen glücklich leben sollten – sofern sie in das Schema des Homo Sovieticus passten. Klinau legt an diesen Maßstab die real existierende Stadt an – Ausgangspunkt für eine höchst intelligente, erhellende Satire.

Der Besuch historischer Orte wie Mir und Nowogrudok sorgt für eine wenigstens ansatzweise Beseitigung der Unkenntnis weißrussischer Geschichte.

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