„Tschernobyl ist ein Geheimnis, das wir noch zu lösen haben. Vielleicht ist es die Aufgabe des 21. Jahrhunderts, eine Herausforderung an das nächste Jahrhundert. Was hat der Mensch damals erfahren, erkannt, in sich selbst entdeckt? In seiner Beziehung zur Welt?“ fragt Swetlana Alexijewitsch in ihrem Buch „Tschernobyl. Eine Chronik der Zukunft“ von 1997.

2006 jährte sich das bisher größte Unglück der friedlichen Nutzung von Atomenergie zum zwanzigsten Mal. Zwanzig Jahre leben wir also bereits mit dieser Katastrophe, die einen im täglichen Kampf mit ihr, die anderen mit der entfernten Erinnerung an einen Schrecken gigantischen Ausmaßes, der letztlich das eigene Leben aber kaum beeinflusst. Die Katastrophe ist zum Alltag geworden – und Tschernobyl für viele zum abgegriffenen Schlagwort. Zwanzig Jahre fallen in Bezug auf die Halbwertzeit der radioaktiven Stoffe kaum ins Gewicht. Zwanzig Jahre sind aber ausreichend, um zu untersuchen, wie diese Katastrophe auf die Menschen, die Gesellschaft(en) wirkt und diese verändert.

Seit 1986 haben weltweit Schriftsteller, Künstler, Fotografen, Grafiker, Theaterleute und viele andere Kunst- und Kulturschaffende immer wieder versucht, sich dem Thema zu nähern und sich zu fragen: Wie kann man das Unfassbare fassbar machen? Das Unsichtbare sichtbar? Was bewirkt es im Menschen? Was bedeutet es für unsere Gesellschaft?

Der 20. Jahrestag 2006 bot Anlass, eine Zwischenbilanz zu ziehen und die auf künstlerischem und kulturellen Gebiet begonnene Recherche fortzuführen. Es wurde eine Veranstaltungsreihe konzipiert in Kooperation mit der Akademie für Design und Kunst Charkiw, der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, dem Goethe-Institut, der Akademie der Künste (Berlin), Camera Work (Hamburg/Berlin), dem Kino Arsenal (Berlin) und dem Dokumentartheater Ost-Arbeiter (Berlin), die sich mit Tschernobyl und den Folgen in den Bereichen Design, Fotografie, Film, Literatur und Theater/Performance auseinandersetzte. Dabei stand die internationale Zusammenarbeit und der Austausch mit Künstlern und Kulturschaffenden aus den am stärksten betroffenen Regionen Osteuropas wie der Ukraine und Weißrussland im Mittelpunkt.

Das Gesamtprojekt stand im Kontext der interdisziplinären Veranstaltungsreihe „Tschernobyl + 20“, das in Kooperation vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), der Forschungsstelle Umweltpolitik der Freien Universität Berlin (FFU) und der Europäischen Ost-West-Akademie für Kultur und Medien e.V. (EOWA) organisiert wurde. Umfassende Informationen hierzu sind zu finden unter

www.tschernobyl2006.de